Titicacasee – oder der „Was machen wir denn jetzt bloß?“- Blog

Mit dem Bus geht es von La Paz nach Copacabana – nein, nicht der Strand in Rio de Janeiro –  sondern das „originale“ Copacabana am Titicacasee, welches dem inzwischen berühmteren Strand nur seinen Namen geliehen hat.

Nach einer kurzen Fahrt müssen wir den Bus verlassen und wir müssen separat eine Engstelle des Sees überqueren. Die ganze Prozedur dauert 25 Minuten und wir sind wieder im Bus – wer die Fähren sieht, glaubt kaum, dass diese Nussschalen einen Bus sicher über das Wasser transportieren können. Warum hier keine Brücken stehen, ist uns nach wie vor ein Rätsel.

 

die “sichere” Fähre

 

Angekommen in Copacabana geht es mal daran die Stadt zu erkunden, der Ort selbst ist recht überschaubar, es gibt eine Kathedrale, jede Menge Souvenir-Läden, unzählige Restaurants und nicht zu vergessen einen kleinen Hügel von welchem man eine Aussicht auf die gesamte Bucht genießt.  Da wir uns direkt am See befinden, gibt es auch frisch gefangen „Trucha“ – Forelle – zum Abendessen. Unser Highlight ist aber die rund 2h mit dem Boot entfernte Isla del Sol – die Insel der Sonne! Der Legende nach stammt von dieser Insel der erste Inka. Und so kaufen wir uns gleich mal unser Bootsticket, um am nächsten morgen zur Sonneninsel zu cruisen. Nachdem wir uns nicht einig sind, ob wir auf der Insel auch übernachten wollen, packen wir  alles Nötige in unsere Tagesrucksäcke und beschließen uns spontan und je nach Wetter zu entscheiden. Nun erfahren wir auch zum ersten Mal, dass es einen Konflikt zwischen Norden und Süden der Insel gibt. Je kleiner die Insel, desto mehr Probleme scheinbar. Leider bedeutet das aber auch für uns, dass unser ursprünglicher Plan von Norden nach Süden zu wandern zu Nichte gemacht worden ist. Durch diesen Konflikt fahren keine Boote in den Norden der Insel und für Touristen ist es verboten in den Norden zu gehen. Wir lassen uns davon natürlich nicht unterkriegen und somit geht es mit dem Boot nur in den Süden der Insel. Wir fahren also einige Zeit, bis wir an der ersten Insel anlegen. Der Kapitän meint, jeder der einen Halbtagestrip macht, soll aussteigen. Machen wir ja nicht, wir sind individuell unterwegs. Melanie meint noch, dass sie glaubt, dass das die Isla del Sol ist, und ich versuche aufzustehen, der Kapitän deutet mir aber, mich wieder hinzusetzen. Wir legen ab und Melanie lässt es doch nicht los und fragt den Kapitän, ob das nicht jetzt doch die Isla del Sol war. Der bejaht und meint, dass wir uns jetzt auf den Weg zur Isla de la Luna machen. Ich habe keine Ahnung, was Melanie daraufhin in leicht grantigem Ton auf Spanisch zu unserem Kapitän sagt, aber es endet damit, dass er das Boot wendet und wir nochmal zur Isla del Sol zurückfahren. Keine Ahnung wer grantiger drein geschaut hat, der Kapitän oder Mel, aber immerhin schaffen wir es auf die richtige Insel. Dort angekommen erwartet uns eine schier unendlich scheinende Treppe, die vom Hafen rauf in den kleinen Ort Yumani führt.

 

der Beginn eines schier ewigen Aufstiegs

 

Eine Tortur wenn man bedenkt, dass die Insel auf über 3300m Seehöhe liegt, da ist jeder Schritt doppelt, wenn nicht dreifach so anstrengend. Da sind wir froh, dass wir nur unsere Tagesrucksäcke dabei haben, die übrigens eh trotzdem randvoll sind. Bislang macht die Insel ihrem Namen keine Ehre und von Sonne ist kaum eine Spur, im Gegenteil, Wolken wohin das Auge reicht. Vom Hafen weg geht es also die nächste halbe Stunde steil bergauf, bis wir oben angekommen einen traumhaften Ausblick auf den Rest der Insel sowie den umliegenden Titicacasee genießen können. Hat sich also ausgezahlt, die Schufterei.

 

von Sonne keine Spur

 

Wir verbringen den ganz Tag damit den Süden zu erkunden. Wir gehen bis zur unsichtbaren Grenze zwischen Nord und Süd, „genießen“ ungenießbare Pizza (selten so schlechte Pizza gegessen) und nachdem wir auch noch in einen Hagelsturm kommen- ja, wir haben auch etwas gebraucht, bis wir die Kopfschmerzen richtig zuordnen konnten- beschließen wir gegen 15 Uhr wieder nach Copacobana zurückzukehren. Wir sitzen noch keine 5 Minuten im Boot- draußen schüttet es gerade aus Eimern- als mich Melanie bittet, ihr das 18-55mm Objektiv zu geben. Gerade zuvor haben wir nochmal die Objektive getauscht, um unbemerkt ein paar Nahaufnahmen der Inselbewohner zu machen. Es fehlt. Panisch wühlen wir im Rucksack herum, aber dieses dumme, dumme Objektiv will sich nicht zeigen. „Hab ich es liegen gelassen?“, frage ich Melanie verzweifelt und kaum haben die Worte meinen Mund verlassen, hechte ich aus dem Boot und rufe dem Kapitän in meinem Business-Spanisch noch „Un Momento“ zu und lasse Melanie den Rest erklären. Ich laufe zu der Bank auf der wir saßen und suche alles ab – nichts. Ich renne auch noch zu dem kleinen Laden neben den Ticketschalter und rufe „Objecivo? Objecivo?“ – nichts. Inzwischen weiß ich immerhin, dass ich die ganze Zeit das Adjektiv objektiv und nicht Objektiv gerufen habe. Könnte erklären, warum mich die Inselbewohner so komisch angesehen haben. Der Kapitän wird ungeduldig und ich renne zurück zum Boot (hätte fast das falsche erwischt, aber Mel hat mir nochmal zugerufen), wo wir den Rucksack komplett ausleeren, irgendwo muss es ja sein, aber das verflixte Ding ist nicht hier. Das Boot legt ab und uns wird bewusst, dass die Insel nun unser Objektiv hat, denn das Boot wird nicht umdrehen und vor morgen gibt es auch keine Möglichkeit wieder auf die Insel zu gelangen. Ich hab unser wichtigstes Objektiv verloren. Panik überströmt meinen Körper. „Wieso sind wir nicht ausgestiegen“, fragen wir uns die ganze Bootsfahrt über. Melanie versucht mir gut zuzureden, „es könne jedem passieren“ und „es ist doch nur ein Objektiv“, aber ich fühle mich einfach schrecklich! Ich hab den Urlaub ruiniert – Objektiv weg und das auch noch ausgerechnet vor Machu Picchu, einfach mal so 700€ in den Sand gesetzt. Verflucht seist du Isla del Sol. Kein Sonnengott fordert solche Opfer!

 

Isla del Sol – das Grab unseres Objektives

 

Ich spiele alle Szenarien durch! Kann man ein Fujifilm Objektiv am Schwarzmarkt in La Paz kaufen? Wohl eher nicht – zu speziell. Bekommt man es eventuell in Cusco oder Lima? Amazon.com? Keine Ahnung, alles kacke. Wir (und damit meine ich Melanie) versuchen auf Spanisch sämtliche Fujifilm- Händler und Fujifilm Südamerika selbst anzuschreiben, unsere Hoffnung unser Objektiv jemals wieder zu bekommen sinkt mit jeder Minute. Habe ich es verloren? Wurde es gestohlen? Ich habe keine Ahnung.

Wir beschließen am nächsten Morgen mit dem ersten Boot wieder zu Insel zu fahren in der Hoffnung irgendwer hat unser Objektiv gefunden oder es liegt noch da wo ich es liegen gelassen habe – Operation „Objektiv-Rettung“ hat begonnen. Nach einer Nacht mit sehr wenig Schlaf für mich- warum Mel ausgerechnet hier so ruhig und bedacht ist, weiß Gott alleine – geht es dann tatsächlich mit dem ersten Boot zurück auf die Insel wo das Unheil seinen Lauf genommen hat. Erst zu den Bänken, nichts, dann zu einem kleinen Laden, wo wir am Vortag Getränke gekauft haben, wieder Fehlanzeige. Der Laden war unsere größte Hoffnung. Zu guter Letzt geht es nochmal zu dem kleinen Süßigkeitenstand neben dem Ticketschalter, wo ich am Vortag schon war! Als Mel dann auf Spanisch (und ohne „objectivo“!) nachfragt, meint der Typ, er wisse vielleicht schon wovon wir reden und dreht sich zu einer Handvoll älterer Damen im Laden. Nach kurzem Hin und Her, fragt er uns: „Was wäre uns das Ding den wert?“. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Melanie will eiskalt verhandeln, ich kann es nicht glauben! Ich gebe ihr einen Wink mit dem Ellbogen und meine nur „Halt die Klappe und kauf das Ding einfach!“. Nach kurzer Diskussion kaufen wir das Objektiv für 50 Soles Lösegeld frei. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie happy wir waren! Ende gut alles gut! Kostenpunkt der Operation Objektiv-Rettung sind gute 24€! Absolut verschmerzbar, wenn man davon absieht, dass es keine Möglichkeit gegeben hätte für Ersatz zu sorgen. Übrigens haben wir eine Antwort von Fujifilm Peru erhalten: Unser Objektiv könne man in ganz Südamerika im Moment nicht kaufen. Puh! Wir haben sogar schon überlegt, es uns von irgendjemanden nach Peru bringen zu lassen.

Direkt im Anschluss an die Rettungsaktion geht es mit dem Boot zurück. So zumindest der Plan. Der Wind geht so stark, dass der Hafen vielleicht geschlossen werden muss. Wir schaffen es gerade noch aufs Festland gegenüber, wo es mit Minibussen weitergeht. Hauptsache, wir kommen irgendwie nach Copacabana, denn weiter geht es mit dem Bus über die Grenze nach Peru, genauer  gesagt nach Puno. Und tatsächlich schaffen wir alles in der Zeit. Ein guter Tag!

Puno liegt auch am Titicacasee und dient als Ausgangspunkt für einen Besuch bei den schwimmenden Inseln von Uros. Baba Bolivien und Hallo Peru.

 

Willkommen in Puno

 

Nachdem wir unser Hostel in Puno bezogen haben, beschließen wir einen Ruhetag einzulegen. Keine Ausflüge, kein früh Aufstehen, einfach nur bisschen Sightseeing und abschalten. So ein Tag tut uns beiden gut und so geht es dann völlig ausgeruht und voller Kraft am Tag darauf runter zum Hafen wo wir uns mal wieder Tickets für eine Bootsfahrt zu Insel „Taquile“ mit Zwischenstopp bei den schwimmenden Inseln von Uros kaufen. Eine Bootsfahrt die ist lustig! Nach gut 2h erreichen wir dann auch die schwimmenden Inseln für die der Titicacasee so berühmt ist.

 

eine der schwimmenden Inseln von Uros

 

Unser Boot hält an einer etwas kleineren dieser Inseln auf welcher nur 3 Familien wohnen – größere Inseln beherbergen bis zu 10 Familien. Die Inselpräsidentin erklärt uns wie man auf einer solchen Insel lebt, wie die Inseln gebaut werden und was man so isst. Es war total interessant zu erfahren, dass es scheinbar noch immer Menschen gibt, die so leben. Wir erfahren, dass es eine Insel mit einer Schule gibt zu der die Kinder jeden Tag rudern, wenn sie dann älter werden, müssen sie aber in die Stadt. Alle 14 Tage muss das Schilf erneuert werden, denn die unterste Schicht verrottet mit der Zeit. Die Insel wird auch nur im äußerstem Notfall verlassen, dann und nur dann wann ein Arzt wirklich unumgänglich ist. Dafür wird dann auch das Geld verwendet, dass sie hier mit Touristen machen. Wenn man aufs Klo muss, heißt’s übrigens erst mal 5 Minuten rudern. Wer also Durchfall hat, sollte sich beeilen. Sie essen Fisch, Schilf und Vögel, besitzen also altertümliche Gewehre. Die Inselpräsidentin scherzt noch, dass sie die sonst auch für Touristen nehmen würden, wenn diese nicht kooperieren. Auch sonst erfahren wir allerhand von ihr, ganz schön lustig die Frau! Für Touristen gibt es dann auch einen „Mercedes-Benz“, wie sie ihr  zweistöckiges Schilfboot nennen. Man kann eine Fahrt damit machen wenn man will, natürlich lassen wir uns das nicht zweimal sagen und schon sitzen wir im „Mercedes-Benz“ und drehen eine Runde um die kleine Insel. Im Anschluss verkaufen die Inselbewohner ihre selbstgebastelten Souvenirs – Decken, Ketten, Mobiles und Polsterüberzuge, alles was das Touristenherz begehrt.

 

der “schwimmende” Souvenirstand

 

Wir erfahren, dass sich die Inseln nach einem Rotationsprinzip abwechseln, was bedeutet, dass nicht jeden Tag Boote an der Insel stoppen. Würde es den Tourismus nicht geben, so würden auch die schwimmenden Inseln von Uros langsam aussterben, denn durch den Verkauf von Souvenirs halten sich die einzelnen Inseln sprichwörtlich über Wasser. Nach dem Zwischenstopp auf der schwimmenden Insel geht es mit dem Boot weiter Richtung Taquile. Die Insel ist für die stickenden Männer bekannt und diese sind sehr stolz auf ihre Arbeit. Die Männer tragen traditionelles Gewand, dass aus einer Zipfelmütze, Gürtel und Umhängetasche besteht.

 

strickende Männer – wo außer in Peru gibt´s sowas

 

An der Farbgebung der Mütze kann man erkennen, ob jemand verheiratet (einfärbig), single (zweifärbig) oder ein wichtiges Amt (total bunt) bekleidet. Schon komisch, wenn man sich so vorstellt das der Bürgermeister oder ein Polizist mit einer knallbunten Zipfelmütze herumrennt. Wir finden ja, dass das auch was für Österreich wäre, so weiß man wenigstens gleich, ob sich das Flirten überhaupt auszahlt. Unser Guide meint noch scherzhaft, bei der geringen Menge an Bewohnern weiß man sowieso, wer single ist und wer nicht. Glück haben wir diesmal mit unseren Guides. Auch wenn Melanie die Hälfte für mich übersetzten muss, gelacht wird heute viel. Mittagessen gibt es im Gemeinderestaurant, auch hier herrscht ein Rotationsprinzip und die Familien wechseln sich wöchentlich ab. Zur Abwechslung gibt es mal wieder Fisch 🙂 Beklagen darf man sich nicht, denn der Fisch ist wirklich ausgezeichnet. Nach dem Essen geht es einmal über die Insel durch das Dorf auf die andere Seite wo auch schon unser Boot auf uns wartet. Im Gegensatz zur Sonneninsel, zeigt sich Taquile von seiner besten Seite und wir genießen die Wanderung unter strahlend blauem Himmel im Sonnenschein.

unser Ausblick beim Mittagessen

 

Die Bootsfahrt nach Puno dauert dann ganze 5h, aber immerhin werden wir mit einem wunderschönen Sonnenuntergang am Titicacasee vertröstet. Eines muss gesagt werden, die Bewohner der Inseln Uros und Taquile haben eines gemeinsam, sie sind unglaublich hilfsbereit und nett. Nach so vielen Inseln und Stunden im Boot reicht es uns dann auch am Titicacasee, es treibt uns weiter in den Norden, zu hoffentlich wärmeren Gefilden, und so machen wir uns am nächsten Tag auf den Weg nach Cusco! Ich kann es kaum erwarten den Machu Picchu zu sehen und mit unserem geliebten Objektiv Fotos zu schießen.

 

 

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1 Kommentar

  • Reply
    Karin Stanje
    June 7, 2017 at 15:55

    Ich habe wieder einmal euren Reisebericht verschlungen. Danke dafür.
    Wenn ihr so weiterhin fleißig schreibt,werde ich noch das Lesen entdecken. (Ich meine Bücher lesen).
    Wieder einmal beeindruckende Bilder??
    Weiterhin viel Spaß und auf bald ???

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