Von Uyuni nach Potosí- der “Und dafür zahlen wir auch noch”-Blog

Wir stehen also in Uyuni und wissen nicht so recht wo vorne und hinten ist.
Nach langem Hin und Her und Optionen abwiegen geht es dann aber super schnell und innerhalb von 20 Minuten haben wir ein Hotelzimmer, eingecheckt, Geld abgehoben und noch mal eben eine Tour gebucht. Es geht zurück in die Salzwüste, aber diesmal nicht nur in den trockenen Teil, sondern auch zu den „Spiegeln“ die dadurch entstehen, dass das Wasser ein paar Zentimeter den Salzboden bedeckt. Wollte man uns doch in Chile und auf der Tour glatt weismachen, dass die ganze Wüste trocken ist. Pff, die kennen unsere Internetskills nicht!
Also, Sunsettour und auf geht’s. Diesmal sind wir mit 4 Südkoreanerinnen unterwegs und nach den typischen Touristenfotos (jaja, wir können auch nicht genug davon kriegen!) sind wir endlich an den kleinen „Latschen“ angekommen. Und wir lieben es! Freuen uns wie kleine Kinder und langsam geht auch die Sonne unter. Unser Guide ist so motiviert, dass die Zeit wie im Fluge vergeht.
Worauf wir nämlich warten? Sterne! Endlich! Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe, dass es scheinbar wirklich so Art Sternentouren in Uyuni gibt. Leider ohne Teleskope, aber auch so hat das einfach perfekt gepasst. Wie ein kleines Kind stehe ich in meinen Gummistiefeln in der Wüste im Salzwasser und freue mich (und friere!). Und dann ist es soweit und wir können nur noch staunen. Wir haben wirklich noch nie so etwas Beeindruckendes erlebt wie dort. Kein Mond (Buuhja, du blöder Vollmond) und unglaublich viele Sterne. Die Fotos können nicht mal annähernd beschreiben, wie es tatsächlich war. Mit freiem Auge kann man die Milchstraße erkennen, Sternbilder sehen und für kurze Zeit sind wir direkt unter dem „Arch“ gestanden. Hätten wir euch irgendwie daran teilnehmen lassen können, wir hätten es getan, aber so müssen die Fotos reichen.
Unsere Finger spüren wir schon seit Stunden nicht mehr, und ob die Zehen noch dran sind können wir trotz 2 Paar Socken (die Alpaca-Wollsocken sollten heilig gesprochen werden) schon seit Tagen nicht mehr sagen.
Irgendwann gebe ich mich geschlagen. Auch unsere Mitfahrer sind schon seit etwa einer Stunde nicht mehr ausgestiegen. Bernhard will noch ein letztes Foto machen und selbst ihm tut alles vor Kälte weh. Wir geben auf, es geht einfach nicht mehr. Gott sei Dank hat unser Hostel extra für uns das Bad noch geöffnet, damit wir noch warm duschen können. Die erste wirklich warme Dusche seit Tagen und wir fallen glücklich ins Bett.
Als ich am nächsten Tag aufwache, habe ich ein komisches Gefühl. Verkühlt war ich vorher schon, aber dieser nächtliche Ausflug hat scheinbar nicht geholfen. Wir überlegen noch immer ob wir nach Sucre oder Potosí sollen, auch aufgrund der Höhe, aber entschließen uns schlussendlich doch für Potosí.
Dort angekommen bin ich erstmal streichfähig und so machen wir uns 1 ½ gemütliche Tage, die aus herumstreunen, Stadt anschauen, Essen und relaxen bestehen, bevor wir dann die Hauptattraktion der Stadt anschauen.
Leute, wenn im Reiseführer oder Internet steht, dass etwas gefährlich ist, tja, dann sollte man sich das zu Herzen nehmen. Haben wir, aber ihr kennt uns ja, wir machen es trotzdem.
Und so geht dann gegen 9 Uhr unsere Minentour los. Erster Stop: Wir bekommen Schutzausrüstung, Gummistiefel, Helme und Lampen. Zweiter Stop: Der Markt für die Minenarbeiter. Hier gibt’s alles was deren Arbeiterherz begehrt: Essen, Cocablätter (in den Minen wird nichts gegessen, sondern nur Coca gekaut und getrunken), Ausrüstung, jede Menge Alkohol und Dynamit. Ja, ihr habt richtig gelesen, hier kann man Dynamit kaufen. Einfach mal so.
Wir sind dazu angehalten, den Minenarbeitern Geschenke mitzubringen und so shoppen wir erstmal. Wir erkundigen uns, was eine richtig gute Gasmaske kostet, aber soviel Geld besitzen wir im Moment nicht mal und beugen uns der Masse. Dynamit und Softdrinks also. Und dann geht’s weiter.
Wir stehen vor dem schwarzen Loch und unser Guide Ronald und sein Assistent Carlos, beide ehemalige Minenarbeiter, weisen uns ein und machen uns darauf aufmerksam, dass wir achtsam und schnell sein müssen. Wem es zuviel wird, der kann jederzeit Bescheid sagen und wird nach draußen gebracht. Unsere Truppe sieht sich kurz an, keine Ahnung was die haben, wir sind ja immerhin nicht die ersten Touristen. Und dann geht es los. Das bescheuertste, dümmste, gefährlichste, aber vielleicht auch bewegendste Abenteuer unseres Lebens. Die Dunkelheit verschlingt uns relativ schnell, aber unsere Kopflampen geben gutes Licht. Immer wieder schreit Ronald, dass wir zusammenbleiben sollen. Ich entdecke, dass ich meine Gummistiefel ruhig eine Nummer kleiner hätte nehmen sollen, aber dafür ist es jetzt zu spät.
Staubig ist es hier drinnen, aber wenn man die Maske aufsetzt wird es so stickig, dass man kaum Luft bekommt. Je weiter wir rein kommen, desto wärmer wird es. Auf einmal hören wir etwas und Ronald und Carlos beginnen zu schreien „Fast fast fast, run run run!“. Wie die Verrückten laufen wir durch den kleinen Stollen, begleitet von dem immer lauter werdenen Geräusch und den Rufen unserer Guides. Eine kleine Nische kommt in Sicht und wir drängen uns alle hinein, gerade rechtzeitig, bevor ein Wagen gefüllt mit Mineralien an uns vorbeidonnert. Ronald schimpft uns, wir wären nicht nahe genug beisammen geblieben und können die Arbeiter nicht behindern. So ein Wagen wiegt 2 Tonnen und hat übrigens keine Bremsen. Wir schauen alle aus wie geschreckte Rehe und fragen uns das erste Mal, warum wir hierfür auch noch Geld bezahlen.
Es geht weiter hinein und immer wieder müssen wir plötzlich laufen und uns in Sicherheit hechten. Drei Leuten unserer Gruppe wird das zuviel, zumal sie auch Probleme mit dem Atmen haben, und beschließen umzukehren. Carlos soll sie nach draußen bringen, während es für den Rest von uns tiefer in den Berg geht. Wir kommen zu El Tito, dem Schutzheiligen der Minenarbeiter, der, naja sagen wir etwas gewöhnungsbedürftig aussieht. Überall liegt Müll und unzählige Flaschen Alkohol. Wir sprechen hier übrigens von 96%igem Alkohol. Hätten wir kosten dürfen, machen wir aber nicht. Wir vertrauen dem Leitungswasser hier schon nicht, da verzichten wir lieber auf dieses Teufelszeug, der Chemiker in uns schreit geradezu auf. Wir erfahren mehr über den Berg und seine Geschichte, bevor es tiefer in die Dunkelheit geht. Prinzipiell gibt es vier Level und wir befinden uns gerade auf Level 1. Durch die ganzen Arbeiten sinkt der Berg immer mehr ein, mehr als 500 m an Höhe scheint er schon verloren zu haben.
Plötzlich stehen wir vor einem schwarzen Loch und Ronald meint wir besuchen jetzt eine kleine Gruppe an Arbeitern, die weiter unten ihre Arbeit verrichten. Auf Händen und Füßen kriechen wir durch kleine Gänge, und der Überlebensinstikt schaltet irgendwie ein. Das oberste Ziel ist, seinen Vordermann nicht zu verlieren. Und am besten nicht nach oben zu schauen, denn man hat das Gefühl, das Ganze kann jederzeit nach unten kommen. Wir versuchen uns gegenseitig zu beruhigen, indem wir uns mit Scherzen zum Lachen bringen, denn hey, wenn die Minenarbeiter hier tagein tagaus rein und rauskommen, dann schaffen wir das auch. Das wir einen Disclaimer unterschreiben haben müssen und ich gelesen habe, dass in den letzten 400 Jahren etwa 8 Millionen Menschen hier gestorben sind, behalte ich fürs Erste für mich. Der Berg ist nicht umsonst auch dafür bekannt, quasi Menschen zu essen. Über eine Leiter geht es die nächsten 5 Meter runter, um danach wieder über einen Geröllhaufen in eine kleine Höhle hineinzukriechen.
Und tatsächlich, hier im Dunkeln arbeiten drei Männer. Wir werden ihnen vorgestellt und man beschreibt uns die Arbeit, die hier verrichtet wird. Wenn sich irgendjemand von euch mal wieder über seine Arbeit, seinen Lohn oder etwaiges beschweren will, macht einen Trip in die Minen von Potosí. Ernsthaft. Ronald bringt es auf den Punkt: „Herzlich Willkommen in der Hölle“.
Jeder von uns ist sichtlich bedrückt. Wir geben einige unserer Geschenke her und zum „Dank“ dürfen wir einer Sprengung beiwohnen. Hätten wir wohl vorher überlegen sollen, ob der Dynamitkauf so eine gute Idee ist. Hört sich nämlich besser an, als es ist. Wir drängen uns wie Schafe in die letzte Ecke der Höhle und werden versichert, dass alles sicher ist. Gesprengt wird nämlich nur am Ende eines Arbeitstages, weil sonst die Staubbelastung zu groß ist. Noch mehr Staub?! Plötzlich gibt es einen unglaublichen Knall und es herrscht Totenstille.
Man traut sich kaum zu Atmen und ich werfe Bernhard einen „Boah eh, mit dir müssen wir immer so einen Scheiss machen. Das hatten wir echt Not!“- Blick zu. Selbst Bernhard wirkt etwas aus der Bahn geworfen, hat er doch mit seiner Höhenangst zu kämpfen. Die Arbeiter sammeln das Gestein auf und während einer sortiert und verwertbares Material herausklopft, bereitet der Nächste die nächsten Sprengungen vor und der Dritte packt das Ganze in Säcke zu je etwa 50 kg, die sie dann am Rücken nach draußen tragen müssen. Wir kommen nicht mal so ohne Probleme durch die Gänge, Löcher und Vorsprünge, wie die das mit Steinen auf dem Rücken und nach 12 Stunden Arbeit noch schaffen, ist mir ein Rätsel.
Es geht wieder rauf in Level 1 und wir „wandern“ weiter. An einem Punkt meint Ronald wir sollen alle unsere Lampen ausschalten, um zu erfahren, wie es denn ist, wenn etwas nicht funktioniert. Es ist schlimm. Stockdunkel, so dunkel war es noch nie in meinem Leben. Es ist staubig, es ist heiß und ich muss mich bemühen, die Lampe nicht wieder einzuschalten, bevor man das eigentlich „darf“. Es geht weiter und eigentlich habe ich das Gefühl, schon ewig hier drinnen zu sein.
Der letzte Stop naht und Ronald und Carlos erwähnen so beiläufig, dass das nun der anspruchsvollste und engste Abstieg sein wird. Ein paar aus unserer Gruppe beschließen, alleine im Gang zu warten, sie sind an ihrem Limit. Nach kurzem Zögern wagen Bernhard und ich uns aber vor. Über ein schmales Holzstück wandelnd geht es langsam 5 Meter über ein Loch. Ich schaue nur kurz runter und sehe nicht mal das den Boden. Das es hier keine Sicherungen gibt, muss ich ja wohl gar nicht erst erwähnen. Der einzige Halt ist die Felswand.
Es geht weiter runter über eine Leiter (der so ganz nebenbei ein paar Sprossen fehlen), dann über Knien rutschend durch kleine Löcher, rechts von uns geht es 20 Meter in die Tiefe. Einmal muss ich mich beinahe auf den Bauch legen, um durch das Loch zu kriechen. Ronald stoppt und meint zu mir, Bernhard und einem dritten Wahnsinnigen, dass wir warten sollen, da wir sonst zuviele sind und es zu brenzlig wird. Carlos wartet mit uns und erzählt uns in brockigem Englisch, dass wir vorhin übrigens seinen Vater und Onkel kennengelernt haben. Ersterer arbeitet schon seit 20 Jahren in der Mine und auch Carlos hat 5 Jahre in der Mine verbracht- angefangen hat er als er 13 war. Jetzt, da er etwas Englisch gelernt hat, kann er aber als Assistent arbeiten. Ich weiß nicht recht, was ich darauf antworten soll, alles erscheint unglaublich banal.
Die Anderen kommen zurück und wir sind an der Reihe. Wir müssen uns über Vorsprünge hochschieben (da ist man froh, wenn man weiß, dass man zumindest sein eigenes Körpergewicht tragen kann, das sag ich euch! Da weiß man warum man Klimmzüge trainiert!) und durch noch kleinere Löcher kriechen und tatsächlich, dort arbeiten wieder zwei Personen. Einer zieht gerade einen Korb voll Mineralien hoch, der andere belädt den nächsten Korb- etwa 10 Meter unter uns. Und wir? Wir stehen auf einem kleinen Holzbrett, das zwischen die Steinwände gepresst wurde. Wir unterhalten uns kurz mit den Arbeitern. Ronald fragt uns, ob es uns hier gefällt, er würde uns sonst gerne hier lassen, in der Hölle und grinst. Uns ist das Grinsen mittlerweile vergangen, wir sind geschockt, berührt, aber vor allem dankbar.
Bernhard und ich werfen uns immer wieder Blicke zu, als ob sicher zu gehen, dass wir das hier gerade auch wirklich nicht träumen. Zu gern würden wir euch mehr Bilder zeigen, aber ihr müsst diesmal mit den Handyfotos vorlieb nehmen, ich wollte meine Kamera nicht mit rein nehmen.
Die Arbeiter verteilen Pipi aus Flaschen am Boden, um die Staubbelastung etwas zu senken. Ja, Pipi. Wasser müsste man ja auch wieder mit reinnehmen, hier ist alles kostbar scheint es.

Und endlich sehen wir- im Wahrsten Sinne des Wortes- das Licht am Ende des Tunnels. Man vergisst dort drinnen alles, die Zeit, Durst, Hunger.
Kein Wunder, dass sich die Arbeiter mit einer Mischung aus Cocablättern, Alkohol und weiß der Kuckuck was noch, munter halten müssen. Die ganzen Männer arbeiten in kleinen Gruppen, freie Zeiteinteilung quasi. Es herrscht ein gewisser Kodex, die kleinen Gänge werden dennoch manchmal verbarrikadiert und verschlossen, damit andere Gruppen nicht die Mineralien klauen können. Wie ein Maulwurfshügel das Ganze. Wie lange das noch so weiter funktioniert kann mir niemand beantworten. 10- 15 Jahre meint Ronald, aber er weiß es auch nicht. Potosi wird eine Geisterstadt sein, sollte der Cerro Rico erschöpft sein. Schon jetzt merkt man Abwanderungen.
Warum man da jetzt also arbeitet, fragt ihr euch? Es läuft mal wieder auf eine Sache raus: Geld. Obwohl der Mindestgehalt in den letzten Jahren von 400 auf etwa 2000 Bolivianos gehoben wurde und dies auch in etwa den Durchschnittslohn darstellt, kann man in einem guten Monat das Doppelte oder gar mehr in der Mine verdienen. Bei den ärmlichen Verhältnissen hier also durchaus vorstellbar, warum 13- Jährige statt zur Schule mit in die Mine müssen. Familiengeschäft quasi.

Ja, das war also das bescheuertste, dämlichste Abenteuer unserer bisherigen Reise, oder sogar Lebens. Eindrucksvoll.
Würden wir nochmal reingehen? Würden wir euch empfehlen da rein zu gehen?
Wir wissen es selbst nicht. Je nach Tour und Guide hat man unterschiedliche Erlebnisse, soviel haben wir aus Gesprächen mit anderen schon erfahren.

Wir sind jedenfalls froh, wieder draußen zu sein. Und frische Luft atmen zu können.

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4 Kommentare

  • Reply
    Karin Stanje
    May 24, 2017 at 14:25

    Zu erst zu den coolen Fotos. Für mich sind diese Fotos in der Salzwüste wahre Kunstwerke.?
    Wowwwww.
    Und jetzt zu euren Trip in die Mine. Seid ihr wahnsinnig?????
    Da schimpft das Mutterherz. Beim lesen von diesen Bericht,habe ich(und ich glaube Andrea wird mich verstehen),mir das erste Mal so richtig Sorgen um euch gemacht.
    Ich Danke Gott dafür,das ihr es gut überstanden habt. Es war sicher ein großartiges Erlebnis(und ich hoffe es war das erste und das letzte)für euch.
    Passt auf euch weiterhin auf und bleibt gesund. Glg.
    Bis zum nächsten Mal???

    • Reply
      Bernhard
      May 26, 2017 at 15:37

      Ja bisschen krass war das ganze schon, des einzige was man nicht in der Mine braucht, ist Höhenangst und Platzangst! war eher grenzwertig, aber trotzdem arg zu sehen wie die Leute da drinnen arbeiten – wie vor 40 Jahren halt

  • Reply
    oberlercher roswitha
    May 24, 2017 at 18:17

    Ein wahnsinn!ich hatte schon atemnot beim ansehen der bilder!gott sei dank ist alles gut gegangen!

    • Reply
      Bernhard
      May 26, 2017 at 15:38

      Ja wir waren auch happy als wir wieder draußen waren, grenzwertiges Erlebnis! Aber ist halt die Nr. 1 Attraktion in der Stadt.

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