Iquitos – oder der “Schweiß lass nach” Blog

Wir steigen aus dem Flieger aus, es ist schon abends und es macht Puff. Ja, die Frauen unter euch wissen vielleicht was ich meine. Luftfeuchtigkeit. Auch bekannt dafür, dass ich meine Haare die nächsten Tage nicht mal versuchen brauche irgendwie unter Kontrolle zu bringen. Auch gut, weiß man wenigstens im Vorhinein, dass man auf den Fotos irgendwie ausschauen wird. Bernhard, meine Haare und ich laden also unsere Rucksäcke ins Tuktuk (weil billiger als Taxi!) und machen uns auf den Weg zum Hostel. Wir haben mal wieder einen dieser Motorkarfahrer erwischt, die zigtausende Jobs haben. Quasi Tuktukler bei Nacht, selbsterkorener Dschungelguide bei Tag. Aber okay, so vergeht die Fahrt schneller und ich komme meistens gut und günstig an Infos ran. So erfahren wir zum Beispiel auch, dass wir (unserem Essenglück sei Dank) mal wieder eine gute Zeit hier erwischt haben. Es findet diese Woche das San Juan Festival statt. Und weil Iquitos eine verrückte, zusammen gewürftelte Stadt ist, feiern die hier nicht nur einen einzigen Tag lang, sondern eine ganze Woche. Ausnahmezustand also. Apropos verrückte Stadt: Also, Iquitos liegt mitten im Dschungel, genauer gesagt im Amazonasgebiet. Es ist die größte Stadt der Welt, die nur über den See- oder Luftweg zu erreichen ist. Es gibts keine Strassenverbindung zur Außenwelt. Und somit wurde auch schon mal die Frage beantwortet, warum wir dort hin wollen. Bernhard hat sich das Ganze ja etwas anders vorgestellt und ist erstmal fertig mit der Welt, als wir dort ankommen: Überall Motorkars (TukTuks). Laut unserem Taxifahrer leben 1 Million Menschen in der Stadt und es gibt mehr als 200.000 Tuktuks. Glauben wir ihm aufs Wort. Hier lebt das Chaos, aber irgendwie scheint das Ganze zu funktionieren. Wie die das ganze Zeug hier reinschaffen ist uns bis jetzt ein Rätsel. Wenn man es nicht besser wüsste, man könnte glauben in irgendeiner Großstadt am Meer/auf einer Insel zu sein. So zumindest das Feeling.

Und wir schwitzen. Das erste Mal auf dieser Reise, dass die kalte Dusche gut tut. Ausgeschlafen geht es am nächsten Morgen mal auf zum Hafen, denn wir wollen zur Schmetterlingsfarm. Ohne Tour natürlich, stellt sich dann aber leichter heraus als erwartet, mittlerweile kann ich schon genug Spanisch. Dort gibt es nicht nur Schmetterlinge zu bewundern, sondern auch andere gerettete Tiere. Die Farm wurde vor 30 Jahren von einer Österreicherin ins Leben gerufen, der wir dann auch samt 2 Monate altem Affen und Babyozelot über den Weg laufen. Sie ärgert sich, dass sie uns keine Tour geben kann, weil sie weg muss, hätte sie doch gerne endlich mal mit jemand anderen als ihren Tieren Österreichisch gesprochen. Und auch wir finden unser Timing nicht so gut, aber genießen die Zeit trotzdem.

Wieder zurück können wir einfach nicht umhin und müssen durch den Markt am Hafen spazieren. Wir sind ja schon einiges gewöhnt mittlerweile, aber hier müssen sogar wir 2 Mal hinschauen. Maden am Spieß (und die lebendigen in kleinen Wannen davor, mmmmmh lecker!) und  Käfereier auf Seilen. Was wir machen? Kaufen natürlich. Bernhard ist nicht so überzeugt wie ich, dass das eine gute Idee ist also muss ich als erste ran. Wieder mal die Klappe zu weit aufgemacht. Auch mich kostet es einige Überwindung, wir geben ein gutes Schauspiel für die Einwohner hier ab. Und dann wage ich es. Und kaufe. Und kaue. Und kaue. So knusprig die äußere Hülle auch war, irgendwie hat man das Gefühl danach nur mehr auf einem Eiterbällchen herumzukauen (ich hoffe niemand hat den Blog als Mittagessens-Lektüre ausgewählt 😉 ). Auf und ab hüpfend schaffe ich es schließlich das Teil zu schlucken. Triumphierend halte ich Bernhard den Spieß hin. Nach einigem Hin und Her kann auch er sich überwinden und es ist weg. Reine Kopfsache. So richtig schmecken tut es uns trotzdem nicht. Aber meine Neugierde ist mal wieder zu groß, und ich kaufe noch die anderen Larven. Die sind härter und schmecken eher nussig, an die könnte ich mich gewöhnen. Bernhard sagen sie gar nicht zu, aber mit einer gegrillten Banane gehen sie dann doch runter. Auch sonst sehen wir die verrücktesten Sachen auf diesem Markt, man kann Krokodil essen, tun wir aber nicht, Stichwort Artenschutz. Aber zu Juanes- dem traditionellen Reisgericht hier, absolut fantastisch, da Reis mit Kurkuma und Hühnchen im Bananenblatt eingewickelt- und frischem Fisch sagen auch wir nicht nein. Dazu gibt’s Kochbanane in unterschiedlicher Form. Außerdem lieben wir hier die frischen Kokosnüsse. Mal eine Abwechslung zu den letzten Wochen!

Wir nutzen den restlichen Tag um uns etwas bei den Touranbietern schlau zu machen. Denn was kostet die Welt, natürlich wollen wir in den Dschungel rein. Am besten so authentisch wie es nur geht, weit rein, wenig Touristen, viele Tiere und und und. Das Ganze hat natürlich seinen Preis, aber irgendwie gibt es so viele verschiedene Touren und Anbieter, dass wir mal wieder überfordert sind. Viele Anbieter ziehen eine regelrechte Show ab, versprechen einem Anacondas und Faultiere und was weiß ich. Das obligatorische Zip-lining darf natürlich auch nicht fehlen, wenn schon den schon. Das ist natürlich völliger Quatsch. Garantien gibt es keine und jeder Anbieter, der einem so etwas verspricht fährt entweder in eine Rettungsstation oder hält diese Tiere irgendwo gefangen, um sie zum richtigen Zeitpunkt auszusetzen oder besticht die Tiere quasi mit Futter. Alles nicht gut, für die Tiere und wir distanzieren sich relativ schnell. Auch auf den Besuch eines nativen Dorfes haben wir keine Lust. Jedes noch so kleine Örtchen in der Umgebung von Iquitos hat mittlerweile Kontakt zur Stadt und Anbindung an Strom, da kann uns keiner erzählen, dass die gerade als wir vorbeikommen zufällig geschminkt einen Tanz aufführen. Ich verstehe zwar, dass diese Dörfer sich durch die Touristen viel mehr ermöglichen können, doch auf ein solches Schauspiel verzichten wir. Viele dieser Lodges befinden sich entweder zu nahe an Iquitos (der richtige Dschungel fängt erst ab ca. 70 km außerhalb von Iquitos an) oder an einem der zwei Flüsse, an denen sich die Anbieter aneinander reihen. Die Anzahl der Anbieter dezimiert sich also stetig und schlussendlich treffen wir unsere Wahl. Für vier Tage, es hätten übrigens ruhig noch ein oder zwei mehr sein können, geht es zum Campen ab in den Nationalpark. Dort können nur Anbieter mit gültiger Bescheinigung hinein, es gibt nur wenige Dörfer und Außenstehenden ist Jagen prinzipiell verboten. Wir campen noch dazu nicht nur an einem Ort, dadurch steigt die Garantie, erfolgreicher zu sein bei den Tierbeobachtungen. Gefällt uns alles und auch wenn die Ausgabe im ersten Moment etwas schmerzt, sind wir doch zufrieden. Die nächsten Tage fahren wir per Bus zum Manatee Center. Wir versuchen immer die Transportmittel der Einheimischen benutzen, weil das meistens die günstigste (wenn auch nicht immer sicherste) Variante ist und noch dazu jedesmal wieder ein Abenteuer darstellt.

Da kommt es schonmal vor, dass du dir die Bank mit einem Huhn teilst oder zum 50 Mal erklären muss, dass Österreich am anderen Ende der Erde von Australien liegt und wir eben keine Känguruhs besitzen. Auch viele Expats leben hier und wir bekommen nicht nur  Ayahuascatrips, Tarotlesungen und After-life-Kommunikation angeboten, sondern führen auch die kuriosesten Gespräche  darüber, dass Leute nach Iquitos gerufen worden sind. Das ist uns natürlich nicht nur in Iquitos passiert, aber hier fällt es uns auf jeden Fall vermehrt auf. Als Naturwissenschaftler tut man sich damit ja immer etwas schwer finde ich. Wir spazieren den Bouvlevard hinunter und wenn man so über den Fluss schaut, hat man das erste Mal das Gefühl, wirklich im Dschungel zu sein. Wir machen uns auf zum schwimmenden Markt von Belen, dem Armenvierel in Iquitos. In der Regenzeit schwimmen die Häuser hier zum Teil, der Rest ist auf Stelzen gebaut oder die Leute leben nur im zweiten Stock des Hauses. Wir schlendern durch den Markt und sehen tote Krokodile und Schildkröten, beides wird hier gerne gegessen und jede Menge Huhn und Fisch. Hier ist auch der größte Schwarzmarkt, angeblich kann man hier einfach alles kaufen. Das geht sogar eben soweit, dass hier Affen und seltene Tiere verkauft werden. Einige werden dann eben konfisziert und dürfen in Zukunft in den Rettungszentren leben oder werden wieder ausgesetzt aber wir müssen ja wohl nicht erklären, dass hier eigene Gesetze herrschen. Wir haben ein ganz komisches Gefühl, als wir so durch den Markt schlendern und ich erinnere Bernhard immer wieder daran, gut auf seine Sachen acht zu geben. Je weiter wir runter kommen, desto anstrengender wird es für uns und wir drehen um. Da spricht uns ein Mann an. Meine Alarmglocken schrillen ja erst einmal, aber wie sich herausstellt handelt es sich bei ihm nur um einen selbsterkorenen Tourguide. Lito lebt im Armenviertel und verdient sich sein Geld, indem er Touristen durch die Gassen von Belen führt. Nun, wir haben Geld und sind Touristen, also los. Ist auch sicherer so, wir haben das Gefühl, in Lima bereits unser Glück des Öfteren herausgefordert zu haben. Und so geht es immer weiter runter bis zum Fluß. Im Moment ist hier keine Regenzeit, und der Wasserpegel sinkt. So sind schon einige der Straßen, die sonst unter Wasser stehen, trocken gelegt. Und wir sind etwas geschockt. So viel Müll und Dreck und Schlamm überall. Die Menschen sitzen vor den Häusern und verkaufen Essen und alles Mögliche. Die Erdgeschösser der Häuser schauen schlimm aus, aber hier scheint das ganz normal zu sein. Wir laufen über Holzbretter und Planken weiter runter und steigen schließlich in ein Wassertaxi. Jetzt sind wir im richtigen „Venedig des Amazonas“ wie die Leute das hier nennen angekommen. Auch hier werden einige der Straßen noch trocknen, aber im Moment ist noch Wasser hier. Wir fahren durch das Viertel.

Schwimmende Häuser, Häuser aus Stelzen. Hin und wieder ein kleiner 1x1m großer Plastikverschlag. Es dauert etwas, bis mir dämmert, dass es sich dabei um die Toiletten handelt. Das Viertel hier ist eine Stadt in der Stadt. Etwa 7000 Menschen leben hier, es gibt eine Kirche aus Stelzen, eine schwimmende Schule, schwimmende Tankstellen und Restaurants.  Man muss mit dem, was man hier sieht erstmal selber klarkommen und es verarbeiten. Es ist einer dieser Orte, an dem man sich als Tourist schlecht fühlt, aber sich selbst mal wieder vor Augen führt was wirklich zählt im Leben. Und dass wir oft einfach viel zu egoistisch durch die Welt gehen. Wir unterhalten uns: über die Stadt, seine Familie und das Umzugsprojekt. Und doch kann man das alles hier nicht so wirklich begreifen. Wir legen wieder an und gehen zu Fuß durch den Markt. Wir sind hungrig aber selbst wir trauen uns hier nicht so wirklich drüber. Nach der Tour meint Lito noch, wir sollten im oberen Teil bleiben und auf unsere Sachen aufpassen. Und so schnell er da war, so schnell ist er auch wieder weg. Wir haben fürs erste genug und wollen raus. Auf dem Weg raus wuselt es nur so von Menschen und Bernhard braucht ewig um sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Er erzählt mir noch, dass er eingeklemmt wurde aber nichts passiert sei, seine Geldtasche wäre noch da. Ich will mich in ein Motokar setzen und dann fällt ihm auf: er wurde doch beklaut! Seine geliebte Münztasche mit umgerechnet etwa 20€ wurde gestohlen. Da kann man noch so oft predigen er solle seine Hosentaschen leeren oder zumindest zuknöpfen aber dagegen ist scheinbar kein Kraut gewachsen. Vor allem um seine Münztasche und seinen Kaugummi scheint es ihm leid zu tun. Man muss ihm zugute halten, dass er wirklich an das Gute im Menschen glaubt, weil er glaubt tatsächlich anfangs noch sie eventuell verloren zu haben und sie vielleicht am Boden wieder zu finden. Ooooh Bernhard!

Wir haben unseren Aufenthalt in Iquitos extra verlängert, um noch das San Juan Fest in voller Pracht zu erleben. Und so schaffen wir es Freitag nicht nur endlich zum Crossfit – wär hätte gedacht, dass wir hier, mitten im Dschungel ausgerechnet eine Box finden! – sondern auch abends  zum Festplatz. Irgendwie haben wir uns das ganz anders vorgestellt, aber irgendwie gefällt es uns trotzdem. Es ist verrückt, laut und ein Chaos. Wir essen klarerweise Juanes, jede Menge Popcorn, Schokofrüchte und andere unbekannte Sachen und schauen uns einige Tänze an.

Irgendwann wird es uns dann zu voll und wir beschließen uns auf den Heimweg zu machen, um uns auszuschlafen bevor wir die nächsten Tage im Dschungel verbringen werden.

Verluste: Bernhards Münzbeutel samt Inhalt (20€) und mindestens noch 2 Wassermelonen Kaugummis … verdammte Diebe

Wir sind süchtig nach: Maca-Tees aus Sackerln am Strassenrand, frische Kokosnüsse und Ananas-Eis

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4 Kommentare

  • Reply
    Anne
    July 4, 2017 at 07:44

    Hallo ihr zwei…
    habe euren weiteren Reisebericht wieder einmal mit Begeisterung gelesen …
    Vieles Interessantes das in eurem Leben passiert, genießt es und vor allem gebt acht auf euch !!!
    Viele liebe Grüße aus Kärnten….;) Anne

    • Reply
      Bernhard
      July 6, 2017 at 00:00

      danke! ja werden wir versuchen…wir sind nun sogar schon in Ecuador 🙂

  • Reply
    Karin Stanje
    July 5, 2017 at 19:46

    Toller Blog. Dieser Abschnitt eurer Reise ist sehr beeindruckend.
    Danke dafür. Ihr bringt mir dadurch eure Reise so nah.
    Ich hab sogar das Gefühl,das ich zeitweise bei euch bin,so toll beschreibt ihr eure Eindrücke und Erfahrungen. ☺️
    Bitte passt auf euch auf,Diebe und Gauner sind leider überall.?
    Hab euch lieb. ?

  • Reply
    Bernhard
    July 6, 2017 at 00:01

    Ja ab jetzt wird doppelt soviel aufgepasst! bin eh schon bisschen paranoid geworden!

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