Cusco – oder der „No, gracias“- Blog

Mit dem Tagbus (es lebe Cruz del Sur, weiß gar nicht wie wir jemals wieder „normal“ Busfahren sollen) kommen wir nach etwa 6 Stunden Fahrt in Cusco an. Aufgrund der etwas gehobeneren Preise haben wir diesmal schon ein Hostel vorgebucht und verbringen die nächsten Nächte im „La Bo’m”, ein Hostel in französischer Hand. Die Franzosen sind hier übrigens überall. ÜBERALL. Und können weder Englisch noch Spanisch. Aber das ist ja ein anderes Kapitel. Und was machen wir also als erstes, nachdem wir ankommen? Genau. Essen. Und dann die Stadt anschauen und Touren abchecken. Wir wissen nämlich eigentlich nicht so genau, was wir jetzt machen sollen. Ich nicht, weil ich mich ja lange Zeit gegen Machu Picchu gewehrt habe und Bernhard nicht, weil… Naja Bernhard eben.

Die Stadt ist ganz schön lebendig, überall sitzen Leute herum, Frauen in traditioneller Tracht wollen einem kleine Lämmer für ein Foto in die Hand drücken oder versuchen einen mit Babyalpacas zu ködern. Wir bleiben standhaft, schauen einfach zu verschreckt aus die süßen Teile. Das ein oder andere „Oh“ rutscht mir dennoch raus. Gefundenes Fressen für die „Touristenabzocker“. Wenn keine Llamas oder Alpacas, dann gibt’s noch die Massage-Ladies, die einem im 10 Meter Takt eine semiprofessionelle Massage anbieten oder die Tour-Futzis, die versuchen einem eine Stadtrundfahrt im Doppeldeckerbus anzudrehen. Brauchen wir im Moment beides nicht und so geht es im monotonen Dauerton mit „No, Gracias“ durch die Straßen. Ach ja, und den „Oh“s meinerseits. Wir erkundigen uns bezüglich Touren und Treks und sind ehrlich gesagt etwas überwältigt vom Angebot und den Preisunterschieden und müssen uns erstmal Gedanken machen. Handeln auf Spanisch geht mittlerweile schon ganz gut, aber bei den vielen Touristen hier, ist das Ganze etwas schwierig.

Jedes zweite Etablissement scheint ein Tourunternehmen zu sein, nach nur kurzer Zeit reicht es uns dann auch schon wieder. Was hilft? Genau, Essen. Kann man in Cusco übrigens ziemlich gut, liegt wohl an den Touristen. Und an den Franzosen. Denen scheint es hier wirklich zu gefallen, denn auch die nächsten Lokale, die wir so besuchen sind fast alle in französischer Hand. Die nächsten Tage essen wir uns durch Crepes, französisches Gebäck und genießen vegane Gerichte. Aber auch der ein oder andere Gang zum San Pedro Markt darf nicht fehlen, vor allem Mittags. Wir schlagen uns mit einheimischen Essen, Fruchtsäften und Obstsalaten voll, auf einem Markt, an dem du auf einem Stand Alpaca Wollpullis kaufen kannst, und zwei Meter weiter einen ganzen Schweinekopf. Wir wissen nicht so recht, was wir jetzt tun sollen, mit diesem Machu Picchu, den sich Bernhard so in den Kopf gesetzt hat und ich irgendwie kaum Begeisterung aufbringen kann. Dazu kommt, dass die Stadt streikt. Haben wir mal wieder super Timing. Zwei Tage steht alles still, sogar der McDonalds schließt an einem Tag. Muss man sich mal vorstellen! Keine Taxis, keine Transporte, gar nichts.

Wir nutzen die Zeit für eine Free Walking Tour, bei der wir eine Menge lernen, vor allem wo man günstig Wollsachen einkaufen kann (und ja, wir haben uns erkundigt, wieviel das Heimschicken kostet, liegt nicht im Budget). Wir wissen jetzt jedenfalls viel mehr über die Kultur und die faszinierende Geschichte Cuscos, vielleicht bleibt ja etwas hängen. An Tag zwei bekommen wir noch spontan Plätze für das Observatorium. Weil wo Sterne sind, da sind auch wir zwei gerne. Es ist mal wieder scheisse kalt. Wenn Bernhard sich mal in eine Decke einwickelt, dann soll das ja was heißen. Immerhin unsere Duschen im Hostel sind endlich mal warm. Aber zurück zum Thema. Wir schauen Sterne, Bernhard gibt noch mit seinem Wissen über Sternbilder an und dann sind wir dort und… HA. Sein ganzes Wissen umsonst, denn auf der Südhalbkugel bringt ihm das alles nichts. Cusco ist zumindest schon nahe genug am Äquator, um den großen Wagen zu sehen- verkehrt herum versteht sich. Dafür können wir jetzt wie die alten Seefahrer herausfinden wo Süden ist, dank dem Kreuz des Südens. Wir erhaschen einen Blick auf Saturn und den Mond und und und.

Untertags sehen wir immer mal wieder die Protestmärsche, aber im Grunde bleibt alles ruhig. Laut vielen Personen, ruhiger als erwartet. Bis jetzt wissen wir nicht so richtig, wogegen die Leute protestiert haben, so viele unterschiedliche Gruppierungen gab es. Die einen wollen einen internationalen Flughafen, den anderen gehen die Preiserhöhungen der öffentlichen Verkehrsmittel gegen den Strich. Heißt für uns, ein paar Tage chillen und wir verlängern unseren Aufenthalt in Cusco. Tut auch mal gut, einfach keinen Plan zu haben. Wir knuddeln Llamas (keine verschreckten Babys!), gehen von Kirche zu Kirche und machen nette neue Bekanntschaften. Endlich gibt es eine Crossfit Box und wir gehen in die höchste Box der Welt. Kniebeugen auf über 3000 m sind schon mal was anderes. Vor allem, wenn man ein Monat vorher quasi gar nichts mehr gemacht hat (jaja unsere Vorsätze sind dann doch nicht immer so einfach umzusetzen…)

Und dann? Wir treffen Gott sei Dank endlich eine Entscheidung: zu touristisch und zu teuer sind uns die Treks und wir entscheiden uns dafür, Machu Picchu individuell zu machen. Und so buchen wir nur das Eintrittsticket und den Transport nach Hydroelectrica, etwa 6 Autostunden von Cusco entfernt, um dann den Rest zu Fuß zu erledigen, denn wir sind auch nicht gewillt, die Preise für den Zug zu bezahlen. Aber dazu mehr im nächsten Blog.

Wieder zurück von Machu Picchu müssen wir erst mal unseren Muskelkater auskurieren. Die Crossfiteinheit am Tag zuvor war vielleicht nicht das Schlaueste. Da kommt es gerade recht, dass in der Stadt gerade einUmzug ist (bei der Free Walking Tour haben wir erfahren, dass es jeden Sonntag so eine Feierlichkeit gibt). Also machen wir uns auf den Weg zum Hauptplatz, suchen uns einen guten Sitzplatz und sehen uns das kunterbunte Treiben an! Es gibt einen Aufmarsch der verschiedensten Berufsgruppen und das Militär scheint besonders beliebt zu sein bei den Einheimischen, zumindest werden sie am meisten bejubelt. Zum Abschluss gibt es diverse Aufführungen verschiedenster Tanzgruppe und wir staunen abermalig über die aufwendige traditionelle Kleidung.

Aber das nächste Highlight wartet schon: Der Rainbow-Mountain. Unser erster 5000er! Seit etwa 20 Jahren kann man den Berg besteigen, zuvor war der nämlich unter Schnee und Eis versteckt, also kein Rainbow nur Mountain. Der globalen Erwärmung ist es also zuzuschreiben, dass seit Anfang 2016 die Touristen scharenweise zu dem Berg pilgern, um die Farbpracht zu erleben. 7 verschiedene Farben sind es um genau zu sein. Und so stehen auch wir mal wieder pünktlich um drei Uhr morgens am Plaza San Blas und warten auf unseren Minivan. Mit der Pünktlichkeit haben die es hier nicht so und so kommen wir erst gegen 4 Uhr aus Cusco weg, Bernhard ist saugrantig, dass er in der Kälte warten muss, hätte er doch noch eine Runde schlafen können. Nach drei Stunden und kurzem Stopp zum Frühstücken sind wir dann endlich dort. Sofort werden wir von Marktschreiern umzingelt, die uns Hauben, Handschuhe, Pferde und Regenponchos verkaufen wollen. Das Wetter scheint hier schnell umzuschlagen. Wir sind guter Dinge, und nach gefühlt 10000 Selfies unserer Mitreisenden geht es dann endlich los. Schon auf den ersten Metern beschließen einige doch das Pferde-Taxi nach oben zu nehmen. Wir sind etwas fixer und unser Guide schickt uns vor. Es geht gut voran und wir überholen ein paar andere Gruppen. Gut für uns, so bleibt uns mehr Zeit am Gipfel. Alles easy. Pff. Die letzten 100 Höhenmeter haben es wirklich in sich. Ich habe das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen und mir wird leicht schwindelig. Der Weg wird immer steiler und ich brauche für 200m fast genauso lange wie zuvor für 5 km. Fühlt sich zumindest so an.

Das Elendigste? Bernhard spürt die Höhe gar nicht und springt neben mir auf und ab wie ein junger Gamsbock, versucht mir scheinheilig gut zuzureden. Reinhauen möchte man ihm eine! Aber ich bin nicht alleine, neben mir schnaufen und keuchen viele andere, der Rest unserer Gruppe ist abgeschlagen. Viele nehmen auch für die letzten Meter noch ein Pferd, nur um sich etwas erholen zu können. Ich kämpfe mich langsam aber doch mit unsicheren Schritten nach oben, begleitet von Bernhards Erzählungen darüber, wie gut man doch hier Mountainbiken könne, Playstationspiele und was gerade so bei Fußball abgeht. Ich habe einfach nicht genug Luft, um ihm zu sagen, dass er die Klappe halten soll.

Oben angekommen dann das Highlight überhaupt: Es gibt einen kleinen Minimarkt. Jap. Man kann tatsächlich Tee, Kaffee, Snickers und so weiter auf über 5000 m kaufen. Das beste aber überhaupt? Es gibt die heißersehnten Skittles! Ich beschließe, dass ich die verdient habe und glaubt mir, noch nie haben die so gut geschmeckt. Oben haben wir dann genug Zeit um Fotos zu machen und ein paar Videos zu drehen. Ich bereue, dass ich Bernhard noch die Handschuhe auspacken habe lassen (müssen wir ja alles tragen, die ganzen 200g.) , so müssen wir uns abwechseln mit dem Foto machen, weil sonst die Finger steif werden. Von Zeit zu Zeit kommt die Sonne etwas durch die Wolkendecke und der Rainbow Mountain macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Irgendwann zwingt uns dann die Kälte wieder in die Knie und wir gehen runter, wo wir auch den Rest unserer Truppe treffen. Gemeinsam geht es zurück zum Ausgangspunkt, durch eine wirklich bemerkenswerte Landschaft. Überall stehen wieder Alpacas herum, sehr zur Freude von Bernhard, der sich einfach nicht sattsehen kann. Dann gibt’s Mittagessen und nach ein paar Aussichtspunkten landen wir abends wieder in Cusco. Am nächsten Tag streunen wir noch etwas durch die Stadt, essen ein letztes Mal am Markt und gönnen uns eine Massage, die ich aber nur halbwegs entspannt genießen kann, weil meine Waden quasi nur aus Muskelkater bestehen. Merkt meine Masseuse auch und versucht dann mir extra ausgiebig zu helfen. Aber zumindest danach kann ich wieder besser Stiegen steigen. Zuvor sah das nämlich mehr so aus, als ob ich mich angemacht hätte. Um acht Uhr abends besteigen wir den Nachtbus. Es geht nach Westen und somit in endlich wärmere Regionen. Nächster Stop: Arequipa.

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1 Kommentar

  • Reply
    Karin Stanje
    June 16, 2017 at 19:34

    Habe wieder mit sehr viel Interesse euren Reisebericht gelesen. Danke Melanie ?
    Überhaupt die Zeilen über Bernhard haben mich sehr amüsiert. Ich kann mir das gut vorstellen,seine “guten Vorschlägen” anzuhören. Aber so ist er.?
    Tolle Fotos ,so wie immer. Es ist alles sehr bunt. Gefällt mir echt gut.
    Macht es gut und bis auf bald. ?

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