Also das mit dem Kaffee hier ist ja so eine Sache. Ich für meinen Teil bin froh, dass ich keinen trinke, wenn ich regelmäßig sehe, wie Bernhard das Gesicht verzieht, wenn die Sucht doch mal wieder größer war als der Verstand. Die Hoffnung auf Besserung von Land zu Land wird meistens schnell zunichte gemacht, wenn er wieder eine Tasse lauwarmes Wasser mit einem kleinen Päckchen Löskaffee hingestellt bekommt. Und mal ehrlich, jeder der ihn kennt, weiß, dass seine Geschmacksknospen nicht die besten sind. Beim Essen verhält es sich bekanntlich ähnlich. Sein Motto ist ja “gut wars nicht, aber viel”. (Umso besser für mich, weil so isst und trinkt jemand immer die “Experimente” die ich so am Markt, auf Ständen oder selbst im Restaurant erstehe. Die gehen übrigens oft daneben, aber nur so findet man die guten Sachen! Und härtet so nebenbei den Körper ab! ) Um da also dann enttäuscht zu werden bedarf es schon einiges.
Und so träumt Bernhard also nachts von seiner Kaffeemaschine. Und ich? Schwarzbrot, das habe ich damals in den USA auch immer so vermisst. Vollkornbrot. Frisch vom Bäcker. Damit könnte man mich im Moment glücklich machen. Aber zurück zum Thema: Kaffee, dieses braune Gesöff, dass keinem beim ersten Mal so richtig schmeckt, aber doch irgendwie sämtliche Leute in Schlangen stehen lässt, ohne dem manche untertags nicht mal richtig funktionieren und dessen Appeal ich bis heute nicht richtig verstanden habe. Was also für mich Schwarzbrot ist, ist für Bernhard Kaffee. Okay, und Nutella vielleicht. Wobei, das gäbe es hier sogar, wir sind nur nicht gewillt den Preis zu bezahlen. Kostet ja fast eine Seele. Auf jeden Fall hat Bernhard sich das mit dem Kaffee jedenfalls anders vorgestellt. Und auch wenn er sich erstmals immer sträubt, wenn man ihn mit etwas Neuem überrascht und er demnach einfach mal “Nein” sagt, als ich ihm vorschlage doch noch weiter nach Kolumbien zu reisen, habe ich ihn spätestens beim Kaffee-Argument in meiner Tasche. Wie gesagt, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Es geht also nach Kolumbien. So ganz sicher sind wir uns immer noch nicht. Selbst kurz vor der Grenze überlegen wir nochmal, ob wir umdrehen sollen. Aber ich sage immer “zurück gibt es nicht” und so stehen wir also abends an der ecuadorianischen Landesgrenze. Wir lassen Dustin und Tanja nur ungern zurück, haben doch sowohl wir als auch die Beiden die Reisepläne oft genug geändert, um noch etwas länger gemeinsam unterwegs sein zu können, aber uns geht die Zeit aus. Es nützt alles nichts.
Der Grenzübertritt dauert dann doch länger als erwartet, uns fehlen Passkopien (wozu wir die brauchten ist uns bis jetzt ein Rätsel) und auf der kolumbianischen Seite müssen wir erstmal anstehen. Wieder schmeißen wir alles um und nehmen uns ein Taxi- Bernhard bekommt einen Herzanfall, weil ich mal wieder ein inoffizielles nehme- und fahren zum Busbahnhof, um das zu tun, was man eigentlich nicht tun sollte: Per Nachtbus geht es nach Cali. Warum Cali? Das fragen wir uns im Nachhinein auch. So richtig gut gefällt es uns hier nicht und auch andere Reisende, die mit uns hier in Cali angekommen sind, beschließen schon bald wieder weiter zu reisen. Vielleicht liegt es daran, dass wir müde sind, vielleicht daran, dass es Sonntag ist, aber wir beschließen jedenfalls am nächsten Morgen in der Früh weiter zu fahren. Komische Stimmung herrscht hier. Nicht so richtig Touristenfreundlich. Wir schlendern den Tag durch die Stadt, bevor wir todmüde ins Bett fallen.
Die Nacht war lang, auch das Hostel hat uns nicht vom Hocker gehauen. Liegt nicht am Hostel sondern eher am Klientel. Um es mal klar zu sagen: Ich habe die Nase voll von Rucksackrowdys. Anders kann man diese Art von Reisenden nicht beschreiben, die ohne jede Rücksicht auf Verluste und ohne Manieren, Anstand und Freundlichkeit durch die Welt ziehen. Als ob sie ihnen gehören würde. Das fängt an bei einem einfachen „Hallo“ oder anderen Nettigkeiten, beim Belegen sämtlicher freien Plätze in einem Schlafsaal oder dem Verteilen dreckiger Wäsche auf fremden Betten. Ja, alles haben wir schon erlebt. Mitten in der Nacht aufwachen, weil jemand laute Youtube Videos sehen muss oder betrunken vom Fortgehen zurückkommt. Pärchen, die sich ein kleines Bett (lauthals) teilen. Nehmt euch ein Doppelzimmer. Aber genug davon, man darf nicht vergessen, dass es auch andere Reisende gibt, jene, die beim Telefonieren anstandshalber vor die Türe gehen, die, wenn sie morgens früh aufstehen müssen, versuchen leise zu sein, und die auch mal beim Abendessen nach einem guten Gespräch suchen.
Wir steigen also in den nächsten Bus, diesmal Richtung Armenia. Und lernen, was kolumbianische Zeiten bedeuten. Pünktlich gibt es hier nicht. In Armenia dann erstmal die Suche für den lokalen Bus nach Salento. Dort wollen wir nämlich hin, mitten ins Kaffeedreieck, Kaffeebermudadreieck, wer einmal reinkommt, der kommt nicht mehr raus. Ich hoffe mein Plan funktioniert. Nach ein paar Stunden haben wir es dann endlich geschafft und kommen in dem kleinen, bunten Örtchen an. Danke Salento, dass du uns gerettet hast. Denn nach Cali haben wir unsere Entscheidung nach Kolumbien zu fahren stark in Frage gestellt.
Salento ist voll mit Touristen. Und Restaurants. Und Cafes. Eine nette Abwechslung. Wir beschließen, den Tag mal nichts zu tun und schauen uns nur das kleine Dörfchen an. Geht schnell und am Nachmittag ist es soweit, Bernhard trinkt endlich seinen ersten richtigen Kaffee in Kolumbien. Er erwacht quasi aus seinem Zombiezustand. Zufrieden lächelnd verbringt er den Rest seines Tages. An Tag zwei geht es- mal wieder früh morgens- mit den Willys, das sind umgebaute Jeeps, ins Cocora-Tal. Je früher, desto besser, denn zu späterer Stunde kommen die ganzen geführten Touren. Wir wandern mal wieder. Die Landschaft ist beeindruckend: Grün wohin das Auge reich und wir sehen immer wieder die riesigen Wachspalmen, für die das Tal hier bekannt ist und weshalb wir uns das Ganze auch antun. Die Wachspalme ist übrigens das Nationalgewächs von Kolumbien. Auf halbem Weg kommen wir am Kolibri-Haus an. Dort gibt’s erstmal Kakao mit Käse. Jap, richtig gelesen, das ist hier in Kolumbien eine Spezialität. Klingt komisch, ist aber so.
Ein Nasenbär und viele Kolibris später, machen wir uns weiter auf den Weg. So richtig gut ist jener aber nicht beschrieben, irgendwie fragen wir uns aber durch. Nach ein paar Minuten steil bergauf- nach unseren letzten Wanderungen kann uns das aber eigentlich nicht beeindrucken- kommen wir am höchsten Punkt an. Von hier aus geht es nur mehr bergab und zur unserer Freude mitten durch die mutierten Palmen durch. Riesige Gewächse, wohin das Auge reicht und teilweise noch weiter. Meine Brille fehlt ja noch immer. Wir gönnen uns ein paar kurze Pausen, um einfach nur die Landschaft zu genießen. Hin und wieder trotten ein paar Reitausflügler an uns vorbei, aber ansonsten sind wir fast alleine. Der Hunger treibt uns schließlich zurück und nach kurzer Fahrt am Willy kommen wir wieder in Salento an.
Abends steht Bernhards Highlight an. Das Event, auf das er schon seit Tagen wartet: Wir gehen Tejo spielen. Noch nie gehört? Dann lasst mich euch das Spiel kurz erklären, nachmachen übrigens auf eigene Gefahr: In einem schrägen Lehmhaufen werden auf einem Metallring sechs mit Schießpulver gefüllte Dreiecke, so genannte Mechas, angebracht. Dann wird versucht mit einer Art Diskus in die Mitte des Metallringes, eines der Dreiecke oder zumindest in den Lehm zu treffen. Dafür erhält man unterschiedlich viel Punkte und die Person, oder das Team, dass zuerst über 20 Punkte erzielt hat die Runde gewonnen. Ich muss glaube ich nicht extra erwähnen, dass es besonders viel Spaß macht, wenn man eines dieser Dreiecke trifft, immerhin explodiert das Teil dann quasi und fängt Feuer. Das Chemikerherz lacht. Nur in Südamerika kann so ein Spiel legal sein. Naja, obwohl, in Asien könnten wir uns das vermutlich auch noch vorstellen. Ich gewinne übrigens. Wir spielen ein paar Runden gegen andere Reisende und verbringen hier mehr Zeit, als gedacht.
Am nächsten Tag spazieren wir gemütlich raus zu einer der vielen Kaffeefarmen, die es hier gibt. Bernhard hat ziemlich viel Recherche betrieben, bevor er sich schlussendlich für eine entschieden hat. Mir hätte es egaler nicht sein können, Kaffee begeistert mich einfach nicht so wirklich. Dem Schotterweg entlang sollte es etwa eine Stunde dauern, aber die Zeit vergeht ganz gut, wenn man gedankenlos vor sich hin brabbelt. Bernhard meint gerade noch, dass ihm Kolumbien echt gut gefällt und Männer es mit dem Klogehen ja auch wirklich einfacher haben, so auf reisen, bevor er sich an den Straßenrand verabschiedet und ich langsam weiter gehe. Wie könnte es auch anders sein, die Polizei kommt auf dem Motorrad vorbei. Und so richtig begeistert sind sie nicht, dass Bernhard sich hier so am Straßenrand erleichtert. Sie bleiben stehen und lassen Bernhard noch schnell fertig pinkeln, bevor sie ihn auf Spanisch lauthals zurecht weißen. Der versteht natürlich nichts und meint nur „Lo siento, no hablo español“. Das macht den Polizisten nur noch wütender, meint er doch, wie er ihn jetzt schimpfen soll, wenn der doch nichts versteht. Bernhard wird etwas weiß im Gesicht und es wird wohl Zeit, dass ich zurückgehe. Etwas unterwürfig und vor allem super nett entschuldige ich mich für Bernhard. Und gehe davon aus, dass die Sache ja jetzt gegessen sein sollte. Ist sie nicht. Sie würden gern seinen Pass sehen. Tja, den hat er natürlich nicht mit. Ich biete meinen Pass an, aber der Polizist meint, er sieht gar nicht ein, dass ich dafür gerade stehen soll. Woher wir kommen, ob es ins Österreich auch gang und gebe ist, dass man einfach so an den Straßenrand macht (mal ehrlich, bei so einem Schotterweg mitten in der Natur vermutlich schon, aber ich will nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen) und wer Bernhard eigentlich glaubt, dass er ist. Wenn die noch Platz auf dem Motorrad hätten, Bernhard würde nicht mehr hierstehen, die hätten ihn schon eingepackt. Der zweite Polizist, versucht sich aus allem rauszuhalten, aber der andere redet sich in Rage. Will, dass wir sofort zurückgehen um den Pass zu holen. Ich stimme allem zu, entschuldige mich und schimpfe Bernhard auf Deutsch (aber nur per Stimmlage, in Wirklichkeit sage ich nur „Schau traurig drein und so als ob es dir leid tut und entschuldige dich“). Die Entschuldigung hilft. Der Polizist beruhigt sich ein wenig. Nach weiteren 5 Minuten auf Knien kriechen ist es endlich soweit: Dem Polizisten wird es zu blöd, dass Bernhard nichts versteht und mir will er nichts tun, also lässt er uns von Tannen ziehen. Wir haben selbst schon nicht mehr dran geglaubt. Kaum um die Ecke, werfe ich Bernhard mal einen bösen Seitenblick zu. Und dann den ersten Witz- was wohl unsere Familien dazu sagen werden, wenn sie hören, dass Bernhard fast wegen Urinieren verhaftet worden wäre. Findet er noch nicht so witzig und versucht, mich zu bestechen, um mich zum Schweigen zu bringen. Tja, was soll ich sagen- ich bin nicht bestechbar! Ich ärgere mich nur, nicht heimlich am Anfang ein Foto gemacht zu haben.
Mit etwas Verspätung kommen wir also bei der Kaffeefarm Ocasa an. Die nächste Führung startet in Kürze. Auch andere Touristen finden sich ein und es geht los. Die nächsten eineinhalb Stunden lernen wir alles, was wir jemals über Kaffee wissen wollten und noch mehr. Wir pflücken unsere eigenen Kaffeebohnen, sehen jeden einzelnen Produktionsschritt und zum Schluss gibt es noch eine Verkostung. Haltet euch fest: Ich trinke meine Tasse Kaffee selbst. Jap. Kaffeetrinker werde ich trotzdem keiner. Wir packen noch ein paar Päckchen Kaffee ein und dann geht’s zurück nach Salento, diesmal aber wieder im Jeep. Ein letztes Mittagessen noch, bevor wir gegen späten Nachmittag wieder in den Bus steigen. Es geht nach Medellín.
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