Wir sind wieder in Iquitos. Irgendwie haben wir diese verrückte Stadt vermisst. Wir nutzen die Gunst der Stunde, also halt den Fakt, dass wir hier quasi festsitzen (unoffizieller Feiertag), und machen uns auf zur Affeninsel. Alles ganz easy meint das Internet, Motortaxi zum Hafen, rein ins Boot, 40 Minuten und dann ist man quasi schon bei der Affeninsel. Tja, das Internet lügt. Oder wir haben mal wieder Pech, man weiß es nicht so genau. Wir tippen auf zweiteres. Wie dem auch sei, unsere Odyssee sieht folgendermaßen aus: Motortaxi check, bringt uns über Umwege zum Hafen. Dort finden wir erstmal den Hafen nicht, weil man muss vorher durch einen Markt durch. Wir werden natürlich mal wieder von zigtausenden Personen gleichzeitig angesprochen, alle wollen uns irgenwohin bringen, wohin ist ihnen egal. So ignorieren wir auch den einzigen Menschen, der uns wirklich auf die Affeninsel bringen will und kaufen erstmal Mandarinen und Bananen, es soll die weiseste Entscheidung des Tages bleiben! Irgendwann finden wir dann doch den richtigen Weg und auch unseren netten Herren mit dem Affen-T-Shirt wieder und er weist uns in die richtige Richtung. Das Boot hat gerade abgelegt. Zehn Personen versuchen gleichzeitig es durch Händewedeln, pfeifen und schreien zum Umkehren zu bringen. Und tatsächlich, es funktioniert. Tja, blöd nur, dass aber nur ein Platz frei ist. Also umsonst. Naja, ab ins nächste Boot, das nach Angaben des Kapitäns in kürzester Zeit abfahrbereit sein sollte. Hier tritt mal wieder unsere altbekannte Regel in Kraft: Glaube niemanden, aber vor allem niemanden, der Geld von dir will! Nachdem wir also endlich „gefrühstückt“ haben, müssen wir diese ekelhaften, nach nassem Hund riechenden Rettungswesten anziehen (wir haben die Tourimasche versucht, von wegen wir verstehen nichts, aber sind den Westen trotzdem nicht entgangen) und fahren endlich los. 45 Minuten später sind wir dann auch am nächsten Punkt in Varadero angekommen, wo uns laut Affen-T-Shirt-Mann sein Freund namens Hugo samt Boot erwarten sollte, um uns auf die gegenüberliegende Flussseite zu bringen. Tja. Ich hab’s echt versucht, und alle Männer angesprochen, aber weder Hugo, noch sein blaues Boot waren zu entdecken. Wir wollen keine anstrengenden Touristen sein und beschließen mal zu warten. Nach 20 Minuten werden wir dann aber doch unruhig. Dann kommt ein Mann vom Militär auf uns zu und will unsere Pässe sehen. Ich meine „die haben wir nicht mit“. Hätte ich mal besser ausdrücken sollen. Der Herr meint nämlich jetzt, dass wir aus Kolumbien kommen und keine Pässe besitzen. Meine Versuche, ihm zu erklären, dass wir nur zur „Affeninsel“ wollen, scheitern, der Herr weiß nicht mal wovon ich rede. Als ich ihm erklären versuche, dass wir eh am gleichen Tag wieder zurück wollen, legt sich seine Stirn immer mehr in Falten. Klassischer Fall von Missverständnis. Die Frau am Kiosk kommt uns dann irgendwann zu Hilfe und erklärt ihm was ich meine (also hat es ja doch jemand verstanden. Wahrscheinlich standen sowohl er, als auch ich auf der Leitung) und ich kann kurz mal Bernhard updaten, was hier gerade passiert, weil der versteht außer „pasaporte“ natürlich gar nichts und merkt nur, dass ich am Verzweifeln bin. Aber gut. Der Mann lächelt, gibt mir die Hand und meint, wir sollen unseren Tag genießen. Puh. Ich bin ja schon wieder soweit, dass ich am liebsten das nächste Boot zurück nehmen will, wir sind im Zeitdruck, immerhin müssen wir noch nach Nauta und außerdem habe ich mir diesen Tag irgendwie entspannter vorgestellt. Die Frau am Kiosk meint, wir könnten doch die Affeninsel anrufen, vielleicht haben die einfach auf uns vergessen und schicken dann ein Boot rüber. Klar, kein Problem. Aber die Nummer kennt keiner. Wir sollen im Dorf fragen. Die im Dorf wissen von nichts, würden mich aber gerne mit dem Motortaxi wohin bringen, eh nur 15 Minuten von hier, die dann eventuell die Nummer kennen würden. Ähm, nein danke. Über Umwege kommen wir dann zur Nummer und die Frau vom Kiosk ist so nett, und ruft dort für uns an, mein Handy hat kein Netz. 20 Minuten soll es dauern, dann kommt ein Boot. Also wieder warten. Und dann endlich sehen wir sie, die blaue Nussschale. Und endlich lernen wir auch Hugo kennen. Entschuldigung gibt’s natürlich keine, aber das sind wir eh schon gewöhnt. Er muss nur noch „kurz“ etwas einladen meint er. Aus kurz werden weitere 20 Minuten, weil wir das ganze Boot mit Holzbrettern füllen müssen. Und ja, WIR. Denn wir beschließen, wenn wir ihm helfen, geht das Ganze hoffentlich schneller. Sehr zur Belustigung der ganzen Einheimischen. Haben wohl auch noch keine Touristen Holzbretter tragen sehen. Und so kommen wir mit 3 Stunden Verspätung auf der Affeninsel an, machen mit Hugo noch schnell aus, dass er uns in 1.5 Stunden wieder abholen soll und machen uns auf dem Weg zum Haupthaus.
Ich bin verliebt. Und dabei spreche ich nicht von Bernhard. Aber der findet es ganz okay, hat er sein Herz ja auch an jemand anderen verschenkt. Ich spreche hier von Antonio. Ein Blick in seine Augen und die Welt steht still. Klar, er ist vielleicht etwas zu jung für mich und er könnte ruhig noch etwas wachsen. Und ja, Haare am Rücken hat er auch. Also naja, eigentlich nicht nur am Rücken, sondern so ziemlich überall. Antonio ist nämlich ein Wooley Monkey und könnte ich Bernhard für ein paar Tage eintauschen, ich würde es mir überlegen, Antonio diskutiert wenigstens nicht andauernd mit mir und wird frech. Und mal ehrlich, Bernhard würde mich sofort gegen einen Affen eintauschen, da brauchen wir uns gar nichts vormachen. Keiner der ihm sagt, dass er seine Socken wegräumen soll oder es wirklich wichtigeres als das Computerspiel gibt.
Spätestens als Antonio auf mich zukommt und seine Arme hebt, um von mir hochgehoben zu werden, kann man mein geschmolzenes Herz irgendwo zu meinen Füßen suchen. Wir sind also im siebten Himmel. Und Bernhard scheint es nicht anders zu gehen, mit seinen beiden Affen auf den Schultern, die ihren Platz gegen jeden anderen verteidigen, der auch Besitzansprüche stellen möchte. Wir sind die einzigen Touristen hier und kuscheln (zwischendurch gibt’s mal eine Schlafpause, auch Affen brauchen mal eine Pause) und spielen was das Zeug hält. Acht verschiedene Rassen gibt es hier, jeder einzelne Affe wurde aus widrigen Umständen befreit, manche von Märkten, manche aus den Händen von Banden, manche als Haustiere. Und so kommt es, dass viele Menschen diese armen Affen zu diesem Rescue Center bringen, wo sie darauf vorbereitet werden, wieder selbst ihre Nahrung finden zu müssen (keine Sorge, auf der Insel werden genug Bäume gepflanzt, in den wirklichen Dschungel schaffen es die Affen leider nicht mehr), und sich von den Menschen zu distanzieren. (Wer nicht weiß, wofür er/sie Weihnachten spenden soll, die Affen freuen sich über ein paar Bananen! www.isladelosmonos.org) Soweit sind die Spielkameraden hier aber noch nicht und wir lernen jeden einzelnen von ihnen persönlich kennen. Rusa, die Brüllaffin. Antonio, Martin und sein adoptiertes Findelkind, Wollaffen. Klammeraffen. Springaffen. Büschelaffe. Krallenaffe. Und und und.
Ich unterhalte mich bestens mit den Leuten hier auf der Insel, Bernhard versteht nichts aber ist eh vollauf mit den Affen beschäftigt. Spanisch sprechen hilft immens. So erfahre ich, dass sie hier auch ein Faultier haben. Margarita heißt es. Ob ich es denn sehen will. Was für eine Frage! Vermutlich hat mein schmachtender Blick es verraten. Mit unseren Affen auf der Schulter geht es also ein paar Meter weiter hinein in den Dschungel und dann sehen wir es schon von weitem. Ich bin entzückt. Ein anderes Wort beschreibt einfach nicht annähernd, wie sehr ich mich freue. Es bewegt sich so unglaublich langsam, dass es schon zum Lachen ist. Wusstet ihr übrigens, dass Faultiere- wenn sie nicht gerade 18 Stunden pro Tag schlafen- einmal pro Woche vom Baum runterklettern, ein Loch buddeln und darin ihr Geschäft verrichten? Warum weiß niemand so genau, aber so manch Hundebesitzer in Österreich sollte sich an der Reinlichkeit der Faultiere mal ein Beispiel nehmen! Aber ich schweife ab. Ich habe tatsächlich ein Faultier gehalten. Um es besser zu beschreiben, das Faultier hat mich als Ast benutzt. Die liebe Margarita hat nämlich ganz schöne Krallen. Aber wir wollen mal nicht kleinlich werden. Der beste Tag im Leben: Ein Affe auf der Schulter und ein Faultier vorne drauf. Meint auch Bernhard. Jetzt aber schnell zurück, Hugo sollte demnächst kommen. Ich bin noch gar nicht bereit mich zu verabschieden. Immer wieder kommt einer der Affen, hält seine Hände hoch und will kuscheln, die teilen sogar Bussis aus (!), oder spielen. Meine Frisur habe ich schon längst aufgegeben und Bernhard wird unabsichtlich sogar ein bisschen angepinkelt. Der Affe war halt aufgeregt und hat echt versucht es rechtzeitig von ihm runter zu schaffen, aber da war nichts mehr zu machn. Und uns? Uns ist das scheiss egal. Wir sind im siebten (Affen)Himmel.
Die Zeit vergeht… und vergeht… und Hugo kommt nicht. Wir bekommen Bananen (und teilen die natürlich mit den Affen), weil wir schon so hungrig sind, das Magenknurren ist also nicht unbemerkt geblieben, immerhin hatten wir seit unserem Obstfrühstück nichts mehr. Als dann die Leute von der Insel aufgeregt mit den Händeln fuchteln, sobald ein Boot vorbeifährt, fangen auch wir an, uns etwas Sorgen zu machen. Ich frage, ob man Hugo denn nicht anrufen könnte und mir wird versprochen, dass wir es auf jeden Fall zum letzten Boot nach Iquitos schaffen würden, das fährt nämlich um 17 Uhr ab. Zu der Zeit wollten wir eigentlich schon auf dem Weg nach Nauta sein. Aber so richtig aufregen können wir uns nicht, immerhin sind wir doch gerade in der besten Begleitung der Welt. Wir nutzen die zusätzlichen Minuten. Und dann kommt endlich Hugo. Wieder ohne ein Wort der Entschuldigung. Zwanzig Minuten schippern wir wieder auf die andere Seite des Amazonas, nur um das Speedboot vor unserer Nase wegfahren zu sehen. Aber eines kommt noch und wir schaffen es dann doch noch nach Iquitos, mit etwa 5 Stunden Verspätung. Rein ins Motortaxi, zum Hotel Rucksäcke holen – der Motor läuft weiter – wieder rein und auf zum „Busbahnhof“. Nauta ist die einzige andere Stadt, die von Iquitos per Auto zu erreichen ist. Wir kommen an und während wir noch versuchen Herr der Lage zu werden, sind unsere Rucksäcke schon am Dach eines Autos festgezurrt, wir werden ins Auto geschoben und es geht nach Nauta. Dort angekommen noch schnell Tickets für das Speedboot am nächsten Tag gekauft, bevor wir in das erstbeste Hostel fahren, abendessen und nach der Dusche endlich schlafen können. Um vier Uhr heißt es wieder aufstehen. Wir gehen raus. Und werden erstmal nass. Das mit dem Regen im Regenwald haben wir wirklich noch nicht drauf. Wir kommen am Hafen an und können schon aufs Boot. Setzen uns. Und mein Hintern ist nass. Merke: Wenn es regnet, nicht den „Fensterplatz“ wählen. Fenster gibt’s hier nämlich nicht. Mit nur 45 Minuten Verspätung geht es dann endlich los. Das Boot ist gestopft voll. Wir sehen langsam die Sonne aufgehen und genießen noch die Aussicht. Die ersten sechs Stunden vergehen relativ schnell, wir lesen, hören Musik (wir werden mal wieder beschallt) oder schauen einfach raus. Wir bleiben regelmäßig bei kleinen Dörfern stehen, um Personen ein- und aussteigen zu lassen oder Waren ein- und auszuladen. Immer kommen Frauen aufs Boot, oder fahren mit einem kleinen Boot an unser Boot ran, um Essen und Snacks zu verkaufen. Ach ja, auch den ein oder anderen Papagei. Lebend. Wir überlegen, ob wir sie kaufen sollen, um sie wieder freizulassen, doch als wir uns noch fragen, ob die dann nicht gleich wieder gefangen werden oder ob die überhaupt noch fliegen können, haben andere Leute schon zugeschlagen. Die nächsten Stunden sind also musikalisch nicht nur durch Latinomusik geprägt, sondern auch mit dem Kreischen eines Papageis. Das behagt wiederum dem Baby hinter uns nicht. Ein Teufelskreis.
12 Stunden soll die Reise dauern. 13 mit der Verspätung am Morgen also. Nun, was reden wir hier lange um den heißen Brei herum: 18 Stunden waren wir unterwegs. Und wieder können wir nur plädieren: Glaube niemanden, vor allem wenn er dein Geld will UND dich transportiert. Immerhin gab‘s ein unerwartetes Mittagessen. Wir wissen schon nicht mehr, wie wir sitzen sollen, als endlich der Hafen von Yurimaguas auftaucht. Mitten in der Nacht ist es bereits. Vom Plan, noch heute nach Tarapoto zu fahren, haben wir uns trotzdem nicht verabschiedet. Wir steigen aus und müssen im Regen und Matsch einen Abhang hoch. Hinten großer Rucksack, vorne kleiner Rucksack. Eine Hand am Seil, alles klar, ist machbar. Wenn es dann aber der Taxifahrer, der ja unbedingt will, dass du bei ihm einsteigst, es gut meint und deine Hand nimmt um dich hochzuziehen, dann kann das nur böse enden. In meinem Fall der Länge nach im Matsch. Rucksack braun, Melanie braun, Bernhard lacht. Das Karma wird es ihm zurückzahlen. Wie eine alte Frau rapple ich mich hoch (immer noch die 2 Rucksäcke auf mir, aber ich musste ja seitlich fallen ich Idiot) und wie im Zeichentrickfilm versuche ich aufzustehen, rutsche aber immer wieder aus. Irgendwann und irgendwie schaffe ich es dann diesen Abhang hinauf. Tarapoto ist gestrichen. Ab ins nächste Hostel und in die Dusche bitte. Gesagt getan. Der nächste Tag muss einfach besser werden.
1 Kommentar
Karin Stanje
July 23, 2017 at 05:13Mein Gott sind die süß. Da kann ich euch verstehen,das es Liebe auf den ersten Blick war.?
Ich habe mich sehr amüsiert beim Lesen dieses Reiseberichts. Danke?
Passt weiterhin auf euch auf.????